Projektgruppe der Anna-Haag-Schule Backnang besucht SOS-Kinderdorf Baden-Württemberg
Wer in Schorndorf-Oberberken an der Bushaltestelle SOS-Kinderdorf aussteigt, kann für einen kurzen Moment den Eindruck gewinnen, man sei am Ende der Welt angekommen: Weite Felder, wenige Häuser, einfache Straßen.
Eine Gruppe Schülerinnen aus verschiedenen Klassen unternahm an den Projekttagen der Anna-Haag-Schule mit ihren Lehrerinnen Ute Röhrle und Silke Diehl eine Exkursion ins SOS-Kinderdorf. Am Vortag hatten sie sich gut vorbereitet. Mit viel Fingerspitzengefühl und Kreativität wurden bunte Papiertüten und Origami-Faltblumen für Dankeskarten gebastelt. Nebenbei ergaben sich ungezwungen Gespräche: Warum wird wohl jemand Kinderdorfmutter? Gibt es auch Kinderdorfväter? Was passiert, wenn Mutter und Kinder sich nicht verstehen, kann man dann die Familie wechseln? Nennt die Kinderdorfmutter ihr Kind: „Schatz“? Haben die Kinder auch Kontakt zu ihren leiblichen Eltern? Sind Kinderdorfmütter auch religiös? Kann man dort auch ein Praktikum absolvieren?
Mit all diesen Fragen im Gepäck gingen dann die Schülerinnen erwartungsvoll die Straße zum SOS-Kinderdorf entlang, auch im Gepäck: selbstgebastelte bunte Papiertüten, gefüllt mit kleinen Leckereien und die künstlerischen Karten beschrieben mit wertschätzenden Worten – als Dank für die Gastgeber im SOS-Kinderdorf.
In Gesprächen mit den pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lernten die Schülerinnen dann, dass es im SOS-Kinderdorf nicht nur Familien gibt, sondern auch einen Kindergarten, eine Krippe für unter-dreijährige Kinder, eine Wohngruppe für Jugendliche und eine In-Obhutnahme-Gruppe mit 8 Plätzen. Hier können Kinder ab 0 Jahren ganz kurzfristig aufgenommen werden, wenn sie dringend aus ihrer bisherigen Lebenssituation herausgenommen werden müssen, weil akute Gefahr besteht.
Bei der Besichtigung eines Familienhauses konnten die Schülerinnen erkennen, wie individuell die einzelnen Zimmer der dort lebenden Kinder eingerichtet waren. Poster, Spielsachen und Hochbett gehören auch hier zur Ausstattung eines Kinderzimmers. Und die Schülerinnen erfuhren, dass auch hier Auseinandersetzungen über die Höhe des Taschengeldes dazugehören. Auch hier muss der Familienalltag organisiert werden zwischen Schule, Hausaufgaben, Haustier versorgen und Zimmer aufräumen.
Also alles ganz normal? – Nicht ganz. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier arbeiten sehr professionell und haben pädagogische Ausbildungen. Dabei wurde deutlich: Hier geht es um sogenannte „Beziehungsangebote“. Kinder dürfen lernen, dass Beziehungen wachsen können, z.B. zwischen Geschwistern oder zwischen Eltern und Kindern. Konflikte gehören zum Alltag, sie müssen nicht Gewinnen oder Verlieren bedeuten. Kinder sollen hier lernen können, eigene und fremde Bedürfnisse gegeneinander abzuwägen und miteinander in Einklang zu bringen. Nähe und Distanz können immer wieder neu ausgelotet werden. Vor allem auch dann, wenn die leiblichen Eltern und die Kinderdorffamilie einander begegnen. – Für Beziehungen braucht es genauso Feinfühligkeit wie für die Kunstwerke, die die Schülerinnen am Vortag im Werkraum der Anna-Haag-Schule als Mitbringsel gestaltet haben.
Nachdenklich verließen die Schülerinnen beim Abschied das SOS-Kinderdorf wieder über die Dorfstraße. Sie waren voller Anerkennung für die Menschen hier und deren Einsatz. Das Ende der Welt in Schorndorf-Oberberken? – Vielleicht eher der Anfang neuer Beziehungen…